SOHO in Ottakring – Ein Kunstfestival im Sandleitenhof

Künstlerische Leitung: Ula Schneider, Marie-Christine Hartig, Hansel Sato. © Wolfgang Krammer


Irene Tritta Romero

Ein Gespräch mit Ula Schneider, der Initiatorin von SOHO in Ottakring

Soho in Ottakring ist ein international bekanntes Kunst- und Kulturfestival, das 1999 zum ersten Mal stattfand – damals noch im Brunnenviertel rund um den Yppenplatz. Seit 2012 wird es im Sandleitenhof, im größten Gemeindebau in Ziegelbauweise, der ebenfalls in Ottakring liegt, ausgetragen.

Wir fragten Ula Schneider, die Initiatorin und eine von drei künstlerischen Leiter*innen des Festivals, welchen Stellenwert das Festival SOHO in Ottakring für gelebte Nachbarschaft im Sandleitenhof hat – und ob ein Kunst- und Kulturfestival ein Motor für gelebte Nachbarschaft sein kann.

VORwORTe: Frau Schneider, seit fast 20 Jahren gibt es nun schon das Festival SOHO in Ottakring, seit 2012 findet es im Sandleitenhof statt. Warum ist das Festival vom Brunnenviertel weg- und nach Sandleiten umgezogen? Hat der Umzug nach Sandleiten das Festival verändert? Hat das Festival Sandleiten verändert?

Ula Schneider: Ob das Festival Sandleiten verändert? Es ist schwierig zu messen, wie gut sich ein Kunstprojekt im öffentlichen sozialen Raum einbettet und wie nachhaltig es sich auf die Umgebung, auf das bestehende soziale Gefüge auswirkt. Die Erlebnisse und Erfahrungen, das Gesprochene, das Gedachte und Gesehene nimmt jede einzelne Teilnehmerin, jeder Teilnehmer mit sich nach Hause, sobald ein Projekt zu Ende geht. Manchmal bleibt ein sichtbares Zeichen des Kunstprojektes übrig – ein Objekt, eine Schrift oder eine Tafel, die während des Projekts entstanden sind.

SOHO in Ottakring suchte nach 12 Jahren des kontinuierlichen Wirkens im Ottakringer Brunnenviertel ab 2012 neue Herausforderungen, nämlich am nordwestlichen Rand von Ottakring im Gebiet Sandleiten. Ausschlaggebend dafür, neue Wege und nach Sandleiten zu gehen, waren fünf Projekte, die wir „Akupunkturinterventionen“ nannten, in denen z.B. Interessierte aus der Nachbarschaft im öffentlichen Raum Liebeslieder sangen und austauschten. Diese Interventionen boten uns eine behutsame Annäherung an das Gebiet Sandleiten, das für uns in Hinblick auf seine historische Entwicklung bis hin zur Gegenwart sehr spannend und interessant ist.

In dieser neuen Umgebung mussten wir auch vom künstlerischen Ansatz her neu beginnen. Denn es ist immer wieder notwendig, zu überprüfen, in welche Richtung unsere Projekte gehen können, wer was davon hat und in welcher Form Impulse, die wir mit unseren Kunstprojekten setzen, auch langfristig wirken können. Dabei war unser durch jahrelange Tätigkeit aufgebautes Netzwerk mit Kunstschaffenden und Institutionen behilflich, uns den Einzug in den Sandleitenhof zu erleichtern.

Warum engagieren wir uns? Es geht um unsere Haltung gegenüber der Gesellschaft – einen Anspruch auf gelebte Demokratie und Teilhabe. Wir alle sind Teil der Gesellschaft. Die Sprache der Kunst ist es, Themen nicht nur in Worte zu fassen, sondern auch zu visualisieren und Handlungen zu setzen. Es ist unser Anliegen, mittels Kunst das Leben positiv zu gestalten.

VORwORTe: Das heurige SOHO in Ottakring-Festival hatte das Motto: „Jenseits des Unbehagens. Vom Arbeiten an der Gemeinschaft.“ Was kann man sich konkret darunter vorstellen? Und wie wirkt sich das Festival auf die gelebte Nachbarschaft im Sandleitenhof aus?

Ula Schneider: Das Festival bot in vielen verschiedenen Formaten sowohl im öffentlichen Raum als auch an insgesamt fünf Orten im Sandleitenhof, die temporär genutzt werden konnten, ein facettenreiches Programm. In Sandleiten wurden z.B. das Alte Kino, das alte Elektropathologische Museum und kleine leerstehende Geschäftslokale bespielt.

Ein gutes Beispiel für gelebte Nachbarschaft war die Initiative „Mangels Überfluss“, die das „Café Mangel“ aus einem leeren Raum entstehen ließ. Dabei wurde mit der alten nachbarschaftlichen Methode, dem von-Tür-zu-Tür-gehen, zu Sammelaktionen aufgerufen.

Nach den ersten Tagen, an denen in der Nachbarschaft aktiv gesammelt wurde, verselbständigte sich der Ablauf, und viele Anwohner*innen brachten von sich aus allerlei Inventar und Nahrungsmittel. Manchmal standen im „Café Mangel“ oder vor der Tür auch plötzlich Säcke mit Geschirr oder Lebensmitteln – gespendet von der Nachbarschaft.

In der zweiwöchigen Laufzeit des Festivals wurde das „Café Mangel“ zu einem zentralen Treffpunkt, an dem sich Interessierte aus der Nachbarschaft trafen und kennen lernten. Es entwickelte sich sogar eine Stammkundschaft. Aber auch der Austausch mit Festival-Besucher*innen führte im Café Mangel zu einem stetigen Betrieb und wechselnder Kundschaft. Abends gab es ein Buffet sowie ein gemeinsames Essen. Dies brachte nochmals einen Aufschwung und intensiven Betrieb mit sich.

Zusätzlich sind im Raum des „Cafe Mangel“ auch lebendige Synergien mit einem anderem Projekt, der „Wunderkammer in der Sandburg Ottakring“, entstanden. Die „Wunderkammer“ war ebenfalls ein auf Mitwirken und Kommunikation basierendes Kunstprojekt im Rahmen des Festivals SOHO in Ottakring.

Viele, die an diesen beiden Projekten teilgenommen haben, haben den Wusch geäußert, dass diese beiden Projekte weitergeführt werden, gegebenenfalls in adaptierter Form.  Daher gibt es Überlegungen, das Projekt in einer zweiten Projektphase nach Möglichkeit an die Nachbarschaft zu „übergeben“.

VORwORTe: SOHO in Ottakring hat Anfang des Jahres – zusammen mit den „wohnpartnern“ – einen Gemeinschaftsgarten im Sandleitenhof gegründet. Wie kommt es dazu, dass ein Kunstfestival einen Gemeinschaftsgarten gründet?

Ula Schneider: Als Vorläuferprojekt gab es einen kleinen Gemeinschaftsgarten am Nietzscheplatz, der über ein Jahr lang für die fünf Beteiligten einmal wöchentlich ein fixer Treffpunkt war. Dieser Gemeinschaftsgarten bot einen zentralen Ort für einen freundschaftlichen Austausch über Pflanzen, aber auch über allgemeine Lebensfragen.

Es gab schon länger die Idee, auf der großen, ungenutzten Terassenfläche oberhalb eines großen Brunnens einen Gemeinschaftsgarten mit und für Bewohner*innen des Sandleitenhofs zu initiieren. Auf Initiative der „wohnpartner“ konnte von Wiener Wohnen dafür eine Zustimmung eingeholt werden.  Und schließlich konnten wir einen Vertrag abschließen. Der Verein SOHO in Ottakring fungiert dabei als Projektträger, die organisatorische Arbeit teilen wir uns mit den „wohnpartnern“.

Nun steht der zweite Gemeinschaftsgarten, ge­nannt „Rosen­acker“, auf so­lidem Boden, und die Beteiligung der Nachbarschaft ist viel größer. Es säen und ernten dort nun Gemeinschaftsgärtner*innen und die Zahl der Beete ist von ursprünglich fünf Beeten am Nietzscheplatz auf bald 15 Beete angewachsen. Der Prozess des Zusammenwachsens ist dabei wie in jedem anderen Gemeinschaftsprojekt: Es ist sowohl eine Herausforderung als auch ein Lernprozess. Und unser Ziel ist, dass der Gemeinschaftsgarten „Rosenacker“ nach der Initialphase einen eigenen Verein gründet und sich selber trägt.

VORwORTe: Danke für das Interview.