Ganz schön sperriger Name
Werner Gilits
Da waren, lange ist‘s her, zwei Frauen. Arbeitslos die eine, unzufrieden mit ihrem Job die andere. Die sprachen über‘s Älterwerden. „Schildkröten können dir mehr über den Weg erzählen als Hasen“ sagte die eine; langsam und bedächtig trug sie den Spruch vor. „Wir retten den wohlverdienten Ruhestand“ entgegnete die andere und ergänzte sich: „Und den ‚unverdienten‘ erst recht!“
Doch Ruhe lag den beiden nicht wirklich, und deshalb dachten sie laut darüber nach, was tun. Eine des Weges kommende Psychologin mischte sich ein, indem sie ihre neueste Erkenntnis zum Besten gab: Was die Jungen von den Alten erwarten, das ist Orientierung, und dass sie den Zeitdruck rausnehmen, unter dem wir alle leiden. Was also wäre näher gelegen, als ein Institut zu gründen? Das
entschleunigung und
orientierung –
institut für alterskompetenzen
und alles klein geschrieben. Klein wie das Institut selbst, das nichtmal ein Institutsgebäude sein eigen nennt. Was aber auch nicht nötig ist, um Institut zu sein. Wer den Titel zu hochtrabend findet, kann auch Verein dazu sagen.
So ein Institut ist ja eine Forschungs-, eine Lehrstätte, ein kulturelles, eine künstlerische … und damit Schluss mit weitschweifigen, ins Intellektuelle abgleitenden Vorträgen und zurück zum Text.
Wir forschen, indem wir an uns selbst erforschen, was Lohnarbeit und Lohnarbeitslosigkeit und die Verhältnisse, unter denen wir leben, mit uns so anstellen. Und indem wir andere einladen, mit uns gemeinsam zu grübeln, zu diskutieren, unsere unter Alltag und Stress und „Funktionieren-Müssen“ verschütteten Kompetenzen auszugraben.
Über Kompetenzen verfügen wir ja alle, nämlich über unsere speziellen Fähigkeiten und Fertigkeiten und Erfahrungen, die wir so im Lauf unserer Leben sammeln. Und die mit anderen zu teilen, auszutauschen, zu vermitteln ist eine der Kernkompetenzen des Instituts. Und weil das institut über kein Institutsgebäude verfügt, arbeitet es dort, wo es eben möglich und noch dazu sinnvoll erscheint.
Und wo es sinnvoll erscheint, da greifen wir auf unsere kulturellen, künstlerischen Fähigkeiten und die unserer Bekannten und aller, die mitmachen möchten, zurück. Und staunen über das Wissen und Können, das sich da ansammelt und die Welt ein Stück weit bunter und lebenswerter gestaltet.
Also haben wir eine Untersuchung angestellt zur Frage, was an Arbeitslosigkeit gesund ist, wie sie krank macht und welche Verbesserungen wir uns vorstellen können; haben dazu Gesundheitszirkel eingerichtet, in denen Interessierte über ihre Erfahrungen berichten haben können, haben eine Arbeitslosenkonferenz ausgerichtet und in Form des WÜST-Theaters konnte sogar über den Arbeitslosenstress gelacht werden. Denn entgegen der Meinung von Anhängerinnen der Sozialschmarotzer-These handelt es sich bei der existenziellen Abhängigkeit vom AMS keineswegs um die „soziale Hängematte“, in der diese Anhängerinnen meinen, uns schaukeln zu sehen. Ach ja, WÜST = Würde statt Stress.
Also haben wir die Kompetenzen genutzt, über die wir alle verfügen, um sie an andere weiterzugeben: In Form von Schulungen für Arbeitslose, die ein wenig anders aussehen als die 0815-Kurse, die das AMS so anbietet. Kurse in Kleinstgruppen, in denen die Bedürfnisse der Betroffenen im Mittelpunkt stehen. Kurse, bei denen der Gewinn nicht in Geld ausgedrückt wird, sondern in der Zufriedenheit derer, die sie durchführen und derer, die teilnehmen.
Also haben wir gemeinsam mit der Künstlerin Gudrun Lenk-Wane den Wiesbergpark im 16. Bezirk gestaltet. Haben mit den Kindern, den Jugendlichen und Erwachsenen, die diesen Park als ihr Wohnzimmer nutzen, die Zäune mit textilen Graffiti versehen, surreale Häuser errichtet, gesungen, gelacht, gefeiert, selbst gedrehte Kurzfilme gezeigt und mit den Jungen ein Buch geschrieben, gespickt mit vielen originellen Illustrationen: „Wir sind nicht immer im Park“. Auch in diesem Sommer hat es wieder Events im Wiesbergpark gegeben. Mehr darüber in dieser Zeitung.
Daneben haben wir uns mit Patientinnenverfügungen befasst: „Was wollen wir (oder was wollen wir nicht) im Fall einer schweren Krankheit?“ – mit Vorsorgevollmachten: „Wer kann was für mich regeln, wenn ich mal nicht kann?“ – mit Care-Revolution: „Wie sollte Gesundheitsarbeit organisiert sein?“.
Unsere Altersweisheiten bringen wir als Postkartenserie unter die Leute.