Also braucht’s ihr Häferln?

Lisa Puchner

Von 2. bis 17. Juni 2018 haben im Rahmen des Festivals SOHO in Ottakring drei Künstler*innen (Nora Gutwenger, Stefan Trimmel, Lisa Puchner) ein temporäres Café betrieben – das Café Mangel im Sandleitenhof betrieben.

„Und das ist alles aus der Nachbarschaft hier? Auch die vielen Kaffeepackungen da, und die Oliven? Der Sessel?“ fragt die Besucherin erstaunt und nimmt einen Schluck Kaffee aus ihrem Häferl. Überraschte Reaktionen waren nicht selten im Café Mangel. Dieses bot im Juni über zwei Wochen lang während des SOHO in Ottakring Festivals den Bewohner*innen des Sandleitenhofs und Vorbeikommenden einen offenen Raum zum Verweilen, Naschen, Kaffeeschlürfen und Tratschen.

Auf der Theke entlang der Wand steht eine bunte Ansammlung von Tassen, stehen Krüge mit Saft, eine Kaffeekanne und ein Tee-Service, ein Milchkännchen und Zuckerdosen, verschiedenste Teesorten, Schüsserln voller Süßigkeiten und Knabbereien, Töpfe voll Couscous, Gemüseeintopf, Spargel-Penne und Salat, ein Tablett mit Häppchen. Aber auch Adventkalender, Kerzen und Dekoration. Unter der Theke noch mehr Süßigkeiten, Reis, Aufstriche, Gemüse, Gewürze, einige Packungen Kaffee, Öl, eine Dose Hundefutter und vieles mehr. Keine einheitliche Einrichtung, verschiedenste Stühle, wenige Tische, dafür aber eine aus zwei Stuhl-Rahmen und einem Teil einer kaputten Polstercouch improvisierte Sitzgarnitur. Der ‚Schanigarten’ vorm Eingang – je nach Parkplatzlage manchmal etwas eingezwängt zwischen zwei Autos, manchmal über eine größere Fläche ausgebreitet – besteht zwar nur aus einem Tisch und ein paar Hockern, wird dafür aber lebhaft genutzt. Das Café Mangel ist ein Café von etwas anderer Art – das wird innerhalb kürzester Zeit klar.

Zugegeben: Dieses rege Treiben und die bunte Ausstattung im Café Mangel entwickelten sich erst im Laufe der ersten Tage. Zu Beginn war es – wie der Name vermuten lässt – noch höchst mangelhaft. Ein leerstehender Raum im Sandleitenhof, ohne Kaffee, geschweige denn mit Kaffeemaschine, weder Tisch, noch Löfferl, kein Blumenstrauß, kein Zuckerl. Mithilfe und Beteiligung der Nachbarschaft verwandelte sich die leere Fläche in das öffentliche Café Mangel – nur durch Leihgaben und Spenden der Bewohner*innen.

Dabei ging das Café Mangel in den ersten Tagen von Tür zu Tür im Sandleitenhof und fragte die Anwohner*innen nicht nur um Milch oder Zucker, sondern auch um Sessel, Tische, Geschirr, Töpfe, Topfplanzen usw. Dass bei der Nachbarin ein Stockwerk weiter unten mal um Milch gefragt wird, weil ja Sonntag ist und kein Tropfen mehr im Packerl, ist eigentlich eine vertraute, v.a. in Wohnbauten alt hergebrachte Praxis. Heute wird aber tendenziell seltener einfach mal schnell nebenan geklingelt. Das Café Mangel greift diese Alltagspraxis auf und zieht sie als Grundlage für den gesamten Betrieb des Cafés heran.

Nach einigen Tagen war so viel gesammelt, dass es an den weiteren Tagen neben Kaffee, Tee, Saft und kleinen Häppchen abends immer ein warmes Buffet mit unterschiedlichen Gerichten gab. Zufällig Vorbeikommende und Festival-Besucher*innen mischten sich mit der Stammkundschaft; die allesamt kostenfreien Angebote und vor allem auch das Abendbuffet wurden gemeinsam genossen; der offene Raum lud zum Verweilen und zur Begegnung mit Bekannten oder Fremden ein. Mit nur zwei „richtigen“ Tischen im Café Mangel ging es auch gar nicht anders als einander näherzukommen und sich zusammenzureden.

Je nachdem, was in das Café Mangel eingebracht wurde, änderte sich auch der Raum und das Angebot des Cafés. Nach den ersten Tagen brachten viele Anwohner*innen von sich aus allerlei Inventar und Nahrungsmittel. Über diese Spenden freuten wir uns vom Café Mangel natürlich sehr. Als Experiment macht das Café Mangel konkret erfahrbar, wie durch viele kleine Beiträge aus dem Privaten – sei es nun ein Löffel, Kaffeefilter oder einfach nur Präsenz –, sehr schnell ein gemeinschaftlicher Raum entstehen kann, wenn dieser für alle offen und kostenfrei gehalten ist, und wie groß die Bereitschaft der Menschen ist, zu verweilen, sich zu beteiligen und ein­ander Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken – ein Hinweis darauf, wie wichtig ein Treffpunkt, ein offener Raum ist.