Wenn die Welt ins Grätzl kommt

Ira Mollay
Rund 100 Mal im Jahr die Sinne öffnen. Uns dabei 50:50 von „Zuag’rasten“ helfen lassen. Alle Kontinente vor Ort erklingen lassen, ohne in den Flieger steigen zu müssen: Wiener Lied trifft Trommelklang, Alpenjazz tanzt mit orientalischer Folklore. Wo gibt’s denn sowas? Und vor allem: Wo komm’ma denn da hin?
Kulturelle Vielfalt ist ein breiter Begriff. Da steckt neben vielem anderen auch die Kultur drin, ebenfalls ein breiter Begriff. Irgendwo muss man ja anfangen, dachte ich, und befragte einen, der die Kultur und ihre Vielfalt zu seinem Arbeits- und Lebensinhalt gemacht hat: Ernst Perbin-Vogls Leidenschaft ist die Welt der Musik, genauer gesagt: die Weltmusik.
Schon während seines Studiums der Soziologie in Graz hat Ernst Konzerte veranstaltet, später dann in Wien im 15. Bezirk bei einem Jazzclub mitgemischt und ein multikulturelles Zentrum für Musik und Bildungsarbeit aufgezogen. „Musik hat in meinem Leben immer meinen Horizont erweitert,“ erzählt Ernst. Mittlerweile ist er einer der Geschäftsführer der „Sargfabrik“ und seit über 20 Jahren für das Kulturprogramm verantwortlich.
Durch sein Wissen und seine Begeisterung für die musikalische Vielfalt auf der Welt sowie sein gutes G’spür für sein wachsendes Publikum hat er die Sargfabrik zum führenden Veranstaltungsort für Weltmusik in Österreich gemacht. Ein Zug, auf den auch andere Veranstalter aufgesprungen sind, denn der musikalische Ruf ist weit über das Matznerviertel hinausgedrungen. Zu den Konzerten kommt das Publikum nicht nur aus ganz Wien, manche reisen extra aus den Bundesländern an. Die Weltmusik-Konzerte haben die Sargfabrik auch zum führenden Veranstaltungsort in Penzing gemacht.
Was macht also den Reiz dieses Angebots aus? Wie beschreibt es sich? Da wäre zunächst ein hoher Qualitätsanspruch zu nennen: In allen Teilen der Welt gibt es Angebote mit unterschiedlich hohem Anspruch. Bloß weil etwas von weit her stammt, muss es noch nicht gut sein. Die meisterliche Beherrschung der Instrumente und der feinfühlig-kreative Umgang mit dem musikalischen Material, das gestaltet wird, ist die eine Seite. Dazu kommt noch eine regionale Ursprünglichkeit, die ihre Wurzeln in Geschichte, Tradition und Kultur eines Landstrichs hat und die ihre kulturelle Besonderheit bewusst pflegt und bewahrt. Das kann auf Wiener Lied oder Alpenmusik genauso zutreffen wie auf indische Ragas oder spanische Dudelsackmusik. „Denn nicht alles in Spanien ist Flamenco. Galizische Musik ist stark von keltischen Einflüssen geprägt,“ weiß Perbin-Vogl.
Neben der ursprünglichen, über Tradition vermittelten Volksmusik (der Begriff hat nichts mit der volkstümlichen Schlagermusik eines Musikantenstadls zu tun) ist auch eine recht populäre „World Music“ entstanden, die Verbindungen zu anderen Genres herstellt, wie etwa zu Jazz oder Pop-Rock. Und schließlich interessiert sich das Publikum auch für neue Formen der außereuropäischen Kunstmusik, wie sie im orientalischen oder indischen Raum zu Hause sind. Etwa die Hälfte der rund 100 Konzerte im Jahr wird von „Zuag’rasten“ bestritten, die in Wien Fuß gefasst haben und ihre musikalische Heimat mit ihrer aktuellen Lebenswelt verbinden. Der Rest: eine Reihe von Musik-Acts aus aller Herren und Damen Länder, die um die Welt touren und uns klanglich daran erinnern, dass es außerhalb des Tellerrands auch noch Leben gibt.
„Musik rund um den Globus“ lautet das Motto, mit dem Ernst Perbin-Vogl Lust auf kulturelle Vielfalt machen möchte. Und weil häufigere Besuche meistens die Freundschaft verlängern, gibt’s ein paar Anreize dazu: Damit sich keines der Konzerte einsam fühlt, sind alle in nette musikalische Gesellschaft mit anderen Konzerten verpackt, auf Deutsch auch Abo genannt. Sie haben klingende Namen, wie etwa Global Vibes oder Crossing Europe. Wer wissen möchte, was man mit einem Cello von Spanien bis Norwegen anstellen kann oder ein wenig sizilianisches Lebensgefühl durchwachsen mit orientalischen Rhythmen erleben will, sollte sich einen Ausflug in Ernsts Klangwelten gönnen.
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