Imkern in der Stadt

[Lidia Brandstätter] Uns Menschen erscheinen Städte oft grau und lebensfeindlich, doch es gibt eine Menge Grün, oft kleinräumig in Hinterhöfen, auf Dächern, in Parks, manchmal auch sehr versteckt. Wie wir schätzen Bienen das Grün in Parkanlagen, Hausgärten, Alleen, auf Friedhöfen und verwilderten Grundstücken, z.B. entlang der Vorortelinie.

In den letzten Jahren ist in Wien wie auch in anderen Großstädten ein neuer Trend zur Förderung von Bienen in der Stadt entstanden. Vereine wurden gegründet, die sich um den Schutz von Insekten, besonders der Bienen bemühen, z.B. die Stadt-Imker*innen. Sie organisieren und betreuen Standorte für Honig- und Wildbienen, um eine Lebensgrundlage für diese Völker auch in der Stadt zu schaffen.

Stadtimker*innen betreuen meist sehr kompetent ihre Bienenvölker, denn für viele ist dieses spannende, abwechslungsreiche Hobby der perfekte Ausgleich zum Job. Imker*innenkurse finden meist in der Wohnumgebung statt, können also auch neben den Alltagsverpflichtungen besucht werden. Es gibt Standorte, wo Bienenvölker von Mitgliedern des Vereins betreut werden und man beim learning by doing ausprobieren und mitmachen kann.

Warum Bienen in der Stadt?

Am Land in konventionell bewirtschafteten Regionen kommt es nicht selten vor, dass Bienen verhungern, wenn zum Beispiel der Raps verblüht ist und keine anderen Feldfrüchte in der Nähe wachsen. In der Stadt aber ist die kleinräumige Vielfalt sehr üppig, es findet sich immer ein mit Nektar und Pollen gefüllter Blütenkelch. Auch werden im städtischen Bereich viel weniger Pflanzenschutzmittel und vor allem keine für Insekten gefährlichen Neonicotinoide versprüht.

Bienen sind wärmeliebende Tiere. Das Mikroklima ist in Ballungszentren im Durchschnitt um 2 bis 3 Grad wärmer als im Umland – ein weiterer Punkt, warum sich Bienen in der Stadt wohl fühlen.

Seit 2016 steht auf dem Dachgarten der Sargfabrik – dem Wohnprojekt in Penzing ­­– ein Bienenstock, der gemeinschaftlich betreut wird. Gerne wird in den Pausen von Versammlungen der selbst geerntete, köstliche Honig von den Bewohner*innen verkostet. Die Nachbar*innen der angrenzenden Häuser bemerken die Bienen kaum, denn diese Insekten sind friedfertige und sanftmütige Lebewesen.

Die Qualität von Honig aus dem Stadtgebiet ist ausgezeichnet, denn Bienen sammeln ihren Nektar aus frischen Blüten, die kaum Umweltverschmutzung ausgesetzt waren. Bemerkbar macht sich die Stadthaltung oft im besonderen Geschmack: Wiener Lindenhonig hat z.B. eine ganz leicht bittere Note, weil viel Nektar des zeitgleich blühenden Götterbaumes beigemischt ist.

Verdrängung von Wildbienen?

Honigbienen sind blütenstet, das heißt, sie nehmen nur von einer Pflanzenart, solange sie etwas kriegen. Sie sind Gourmands, im Gegensatz zu den Wildbienen, die als Gourmets gerne mal hier, mal dort naschen.

Damit die Bienen von Februar bis November Futter finden, sollte bei der Pflanzenauswahl im öffentlichen Raum, in Gärten und Terrassen auf Nektar- und Pollenreichtum geachtet werden.

Lieblingspflanzen sind: Winterling, Huflattich, Löwenzahn, Esparsette, Borretsch, Fenchel, Klee, Ysop, Sonnenbraut, Goldrute, Erika, Salweide, Hasel, Obstbäume, Schlehe, Schneebeere, Linde, Robinie, Kastanie,…

Auch Sie können Balkon und Terrasse bienenfreundlich gestalten!

In den Wiener Imker*innenvereinen sind Interessierte und Gäste herzlich willkommen. Z.B.: ‚Imkerinnen und Imker Wien West‘ – ‚Verein für Bienenzucht und Bienenhaltung‘,
www.imkerwienwest.at

Buchtipps

„Bio-Imkern in der Stadt und auf dem Land“ von Dietmar Niessner, Verlag Löwenzahn

„Bienenweide – 200 Trachtpflanzen erkennen und bewerten“ von Günter Pritsch, Kosmos-Verlag.